Beinahe
täglich, wenn man die Zeitung aufschlägt oder Nachrichten im Rundfunk
oder Fernsehen verfolgt, ist von Gewalt und Terror im Nahen Osten die Rede.
Auf die mörderischen Anschläge von palästinensischen Selbstmordattentätern,
die sinnlos Zivilisten in ihren Tod mitreissen, folgen meist die gnadenlose
Vergeltung und die Zerstörungen des israelischen Militärs.
Der
politische Dialog scheint an seinem Ende angekommen zu sein. Haß und
Fanatismus, Wut und Rache sind die vorherrschenden Gefühle der verfeindeten
Seiten.
Um so bemerkenswerter ist es, daß israelische und palästinensische
Künstler mutig und entschlossen die Kommunikation zwischen den verfeindeten
Nachbarn aufrechterhalten.
Sei es, daß Daniel Barenboim mit Musikern
beider Nationalitäten in den Autonomiegebieten trotz erschwerter Bedingungen
auftritt, oder daß Timna Brauer mit ihren aus vielen Nationalitäten
bestehenden
Musikern gleichermaßen in Hebron wie in Haifa musiziert. Sie und viele
andere werden in ihren Aktivitäten von zahlreichen Friedensinitiativen
und Organisationen wie „People to People”, unterstützt.
So
initierte z. B. Yael Katz Ben Shalom kürzlich die Begegnung zwischen
einer jüdischen und arabischen Schule in Jaffo, die sie durch Fotos und
mit der Videokamera aufzeichnete.
Der Schulhof ermöglichte den Kindern,
die miteinander spielen, einen kurzen Moment der Alltäglichkeit. Wie
ein Detektiv versucht die Künstlerin den Augenblick einzufangen, „in
dem die trennende Identität geboren wird: zwischen Juden und Arabern,
zwischen Erwachsenen und Kindern, zwischen dem Schmerz der Vergangenheit und
der Angst vor der Zukunft, zwischen Kunst und Dokumentation”.
Auf
diesem Terrain bewegt sich auch das „Pen-Pal Projekt” (Brieffreundschaften)
von Eytan Shouker & Eldad Cidor, das auf der Idee basiert, einen persönlichen
Dialog mit Hilfe eines kreativen Prozesses zwischen palästinensischen
und israelischen Jugendlichen herzustellen. Die Künstler verteilten an
insgesamt fünfhundert Jugendliche Einwegkameras, die nach einer kurzen
Einweisung in das Fotografieren und die Bildgestaltung ihre unmittelbare Umwelt
dokumentierten.
Die entwickelten Fotos erhielten die Teilnehmer als Postkarten
zurück, die auch Name und Adresse des Korrespondenzpartners enthielten,
der mit Hilfe eines Fragebogens ermittelt worden war. Ohne Vermittler und
unter Umgehung aller Grenzposten wurde für viele Teilnehmer dies der
erste Versuch, mit dem jeweiligen „Feind” freundschaftliche Beziehungen
aufzunehmen.
In Suzanna Lauterbachs Projekt „Promised Land/Gelobtes
Land”, das während der noch andauernden zweiten Intifada im Sommer
2001 entstanden ist, hat die Künstlerin Einwegkameras willkürlich
an Israelis und Palästinenser und an in Israel lebende Ausländer
aller Altersstufen verteilt, mit der Bitte, das aufzunehmen, was für
sie persönlich das „Promised Land”, das „Gelobte Land”
heute bedeutet. Eine Auswahl der Fotos und die Texte der Teilnehmer zu ihren
eigenen Bildern geben überraschende Einblicke in die Befindlichkeit des
heutigen Israel.
Das Jüdische Museum
Berlin ist ein junges Museum mit einem jungen Publikum. Wir haben deshalb
gerade dieses Künstlerprojekt in unser Ausstellungsprogramm aufgenommen,
weil wir glauben, daß diese Projekte von Eytan Shouker
& Eldad
Cidor sowie von Suzanna Lauterbach einen zeitgemäßen Beitrag für
mehr Toleranz, Kommunikation und Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher
Religionen und nationaler Identitäten liefern. Diese Ausstellung will
vor allem für junge Menschen, die unser Museum aufsuchen, Anreiz und
Motivation schaffen, sich mit dem Eigenen und dem Anderen, mit dem Nachbarn
und dem Fremden zu beschäftigen.
Wir haben extra für die Ausstellung
einen Link zu einer interaktiven Website, www.disposable-eyes.net, eingerichtet,
um diesen interkulturellen Dialog fortzuführen und wenn möglich
neue Brieffreundschaften zu stiften.
Wir danken allen, in Israel, in den
palästinensischen Autonomiegebieten und in Deutschland, die an EinmalBlicke/Disposable
Eyes mitgewirkt haben, ganz besonders aber den Künstlern Suzanna Lauterbach
und Eytan Shouker & Eldad Cidor, ohne deren Leidenschaft und Engagement
dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre.
When
you open a newspaper or listen to the news on the radio or on television these
days, there is almost always talk of violence and terror in the Middle East.
The murderous attacks by Palestinian suicide bombers and the resulting senseless
deaths of civilians are usually followed by merciless retaliation and destruction
by the Israeli military. Any political dialogue seems to have reached an end.
Hate and fanaticism, fury and rage are the predominant feelings on the enemy
sides.
It is thus even more remarkable that Israeli and palestinian artists
are bravely and resolutely maintaining a line of communication between the
hostile neighbors. Be it that Daniel Barenboim performs in the autonomous
regions with musicians of both nationalities despite the difficult conditions,
or that Timna Brauer plays in Hebron and Haifa with her multinational group
of musicians: they and many others are supported in their activities by numerous
peace initiatives and organizations such as “People to People.”
The
artist Yael Katz Ben Shalom, for example, recently initiated a meeting between
a Jewish and an Arabic school in Jaffo and then recorded it with photographs
and a video camera.
The schoolyard allowed the children to play with each
other and experience a brief moment of normalcy. Like a detective, the artist
attempts to capture the moment “in whichthe identity that separates
is born: between Jews and Arabs, between adults and children, between the
pain of the past and fear of the future, between art and documentation.”
The
“Pen-Pal Project”, by Eytan Shouker & Eldad Cidor, also explores
this ground. It is based on the idea of creating a personal dialogue between
Palestinian and Israeli youths with the help of a creative process. The artists
distributed disposable cameras to a total of five hundred young people, who,
after a short introduction to photography and composition, began documenting
their immediate surroundings. The developed photographs were then returned
to the participants in the form of postcards, together with the name and address
of a pen pal who had been picked with the help of a questionnaire. For many
participants it was the first attempt to take up friendly relations with their
respective “enemy” – and this without mediators, by circumventing
the border guards.
In her project “Promised Land,” which originated
during the (still ongoing) Second Intifada in the summer of 2001, the artist
Suzanna Lauterbach distributed disposable cameras randomly to Israelis and
Palestinians of all age groups as well as to foreigners living in Israel.
Their only instructions were to document whatever connotes the “promised
land” for them personally today. A selection of these photographs and
the texts of the participants about their own pictures offer surprising insights
into the situation in Israel today.
The
Jewish Museum Berlin is a young museum with a young audience. We have included
this art project in our exhibition program because we believe that these projects
by Eytan Shouker & Eldad Cidor and Suzanna Lauterbach make a timely contribution
for more tolerance, communication and understanding between people of different
religions and national identities. This exhibition aims to offer especially
our young visitors the incentive and motivation to think about the self and
the other, about neighbors and strangers. For the duration of the exhibition
we have set up an interactive
website link, www.disposable-eyes.net, to
promote this intercultural dialogue and if possible to bring new pen pals
together.
We would like to thank all those in Israel, in the Palestinian
autonomous regions, and in Germany who have worked on Disposable Eyes, and
especially the artists Suzanna Lauterbach and Eytan Shouker & Eldad Cidor,
without whose passion and commitment this project would not have materialized.